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Bericht
 
Fuchshofer/Eckstein/Wullner (2001):
Heidi wohnt hier nicht mehr. Zur Abwanderung des autochthonen kreativen und innovativen Potentials aus dem ländlichen Raum.
Eine sozialwissenschaftliche Analyse zur Situation im EU Ziel 2 Gebiet Lungau und Lösungsansätze zur Aktivierung des internen Innovationspotentials. Projekt des Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank Nr. 8347. Projektbericht.

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Ergebnisse des 1. Projektjahres
 

SCHLUSSFOLGERUNGEN
-> Bildungslaufbahn und Maturaschulbewertung
-> Berufspotentiale

-> Visionäre und Angepasste - Apokalyptiker und Integrierte?
-> Ausblick auf das zweite Projektjahr

Die gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung schwankt zwischen den beiden Polen der zunehmenden Urbanisierung und Suburbanisierung auf der einen und der immer stärkeren Betonung der naturräumlichen (Er-)Lebenswelten auf der anderen Seite. Die Menschen wohnen immer mehr in den Städten (oder Dörfern, die sie zu Vor-Städten gemacht haben) und wollen immer mehr Zeit auf dem Land/in der Natur verbringen. Ländliche Regionen laufen Gefahr zu temporären (in Wochenend- und Urlaubszeit aktivierbaren) Freizeitparks für Tagesgäste aus der Stadt zu mutieren, mehr Refugium als Lebensraum zu sein.
Um als Lebensraum eine Zukunft zu haben, brauchen Regionen tragfähige soziale Gefüge, Gemeinwesen, Personen, die soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Funktionen übernehmen. Abwanderung, die über die "natürlichen", biographischen Wanderungsbewegungen hinausgeht, gefährdet die Tragfähigkeit der sozialen Systeme und Subsysteme auf dem Land.
Der bessere und vor allem "breitere" Zugang zur höheren Bildung hatte den sogenannten "Fahrstuhleffekt" zur Folge: Eine ganze Generation (bzw. ein großer Anteil davon) schaffte den Aufstieg in die nächst höhere soziale Schicht und strebte in die höheren, besser bezahlten Arbeitssegmente. Pendlerströme und verstärkte Abwanderung aus Berufs- und Einkommensgründen sind die Folge. So entstand ein Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen des Individuums und den Erfordernissen der Gemeinschaft, des Kollektivs.
Ländliche Regionen wie der Lungau sind Ziel (2-Gebiet) vielfältiger Entwicklungs-bestrebungen. Viele dieser Bestrebungen laufen aber Gefahr, nur in bescheidenem Ausmaß Erfolg zu haben, da sie mit unangepassten Konzepten arbeiten und das vorhandene und mobilisierbare Potential zu wenig berücksichtigen.
Die Erhebung und Beschreibung dieses Potentiales ist Intention der vorliegenden Arbeit. Im Schulbereich waren im Lungau in den letzten Jahren Bemühungen sichtbar, das Angebot an die aktuellen beruflichen Erfordernisse anzunähern, sich zu profilieren und zu positionieren. Die SchülerInnenzahlen im Lungau sind aber rückläufig, immer mehr Jugendliche nutzen die höheren Bildungseinrichtungen außerhalb der Region.

Diese Entwicklung kann auch auf das Fehlen eines allgemeinbildenden Oberstufengymnasiums zurückzuführen sein. Die Schwerpunktbildung an den Schulen erweitert die eingeschränkten Möglichkeiten nicht. Die starke Ausrichtung auf Zukunftstechnologien und Multimedia hebt die Schul- und Ausbildungsqualität, erhöht jedoch nicht die Vielfalt der Ausbildungsmöglichkeiten. Der Abwanderung in Richtung berufsbildende höhere Schulen kann damit nicht wirkungsvoll begegnet werden.

Bildungslaufbahnen und Maturaschulbewertung

Die regionale Situation der Verteilung der SchülerInnen zwischen örtlichen Hauptschulen und der Unterstufe der höheren Schulen im Zentralort deckt sich weitgehend mit den Schulbesuchsmustern in ländlichen Räumen allgemein. Kinder aus Tamsweg besuchen eher das Gymnasium, SchülerInnen aus den anderen Gemeinde bleibt nach der Hauptschule meist nur die Wahl zwischen HAK oder Pendeln. Die Bildungslaufbahnen ziehen unterschiedliche berufsbiographische Konsequenzen nach sich. Während AbsolventInnen der HAK eher dazu neigen, gleich ins Berufsleben einzusteigen und dies oftmals in ihrer Herkunftsregion tun (oder wenigstens versuchen, dort Fuß zu fassen) neigen AHS-AbsolventInnen zu ausgedehnteren Bildungskarrieren, die eine Rückkehr eher unwahrscheinlich werden lassen. Die Grundannahme dieser Studie "je höher (die Bildung) desto (dauerhafter) weg" kann als bestätigt angesehen werden.

In der Schulbewertung durch die ehemaligen SchülerInnen schneiden die außerhalb des Lungau liegenden Maturaschulen etwas besser ab als die innerregionalen. Dieser Bewertungsbonus kann aber dadurch bestimmt sein, dass bei der Entscheidung, eine auswärtige Schule zu besuchen, eine stärkere Eignung für den Schultyp, die individuelle Neigung und Identifikation mit den Schulzielen eine größere Rolle spielen. Die Vermutung, dass eine Schule nicht aus reinem Interesse, sondern eher als "Notlösung" gewählt wurde, dürfte vor allem auf die HAK Tamsweg zutreffen, wo jedeR dritte MaturantIn angegeben hat, lieber eine andere Schule besucht zu haben.

Hinsichtlich der Vorbereitung auf das Berufsleben oder Studium erfahren die Schulen eine ihren Ausbildungsschwerpunkten entsprechende Zustimmung. Allerdings fühlen sich von denen, die nach dem Gymnasium Tamsweg eine weiterführende Ausbildung genossen haben, weniger als die Hälfte durch ihre "Grundausbildung" gut auf das Studium vorbereitet; von den BHS-Absolventen sind es in der subjektiven Einschätzung ebensowenige, die optimale Voraussetzungen für ihr späteres Berufsleben aus der Schule mitbekommen haben.

Im Bereich soziale Kompetenz sowie bei der Übertragung des Schulwissens zur Alltagstauglichkeit bestehen noch Entwicklungs- und Verbesserungspotentiale. Der Trend der letzten Jahre zu mehr fächerübergreifendem Unterricht und neuen Fächern/Lehrinhalten wie Konfliktmanagement, zeichnet sich bei der Beurteilung unserer Befragten schon leicht ab, dieser Bereich ist allerdings noch ausbaufähig und ihm sollte aufgrund der Erfordernisse des gehobenen Arbeitsmarktes nach Führungskompetenzen und Schlüsselqualifikationen besonderes Augenmerk geschenkt werden.

Berufspotentiale

Die Erwerbsquote innerhalb der Stichprobe liegt weit über dem Durchschnitt in der Gesamtbevölkerung, was besonders aufgrund des hohen Frauenanteils bemerkenswert ist. Auch die im Lungau ansässigen Frauen stehen fast alle im Erwerbsleben. Zwei Drittel der Befragten haben nach der Matura Akademien oder Universitäten besucht, und bieten eine breites Spektrum an beruflichen Kapazitäten. Es zeigt sich eine hohe Berufs- und Einkommenszufriedenheit, was sich aus der weitgehenden Deckung der Berufswünsche, -ausbildungen sowie der tatsächlich ausgeübten Berufe erklären lässt. Der Arbeitsmarkt im Lungau wird durch alle Befragten realistisch eingeschätzt, die Chancen für AkademikerInnen und andere Höhergebildete als gering erkannt, persönliche Arbeitsmöglichkeiten in der Region werden von den wenigsten gesehen. Diejenigen, die sich am Lungauer Arbeitsmarkt positionieren konnten, zeichnen wider Erwarten ein positiveres Bild der Lage.

Dementsprechend stellen berufsimmanente Faktoren den Hauptgrund für die Wanderungsströme des kreativen und innovativen Potentials dar. Veränderungswünsche und Beharrungspotentiale Die soziale und emotionale Bindung der Befragten an die Region ist, oft auch nach Jahren, die in anderen Lebenszusammenhängen verbracht wurden, bei den meisten enorm hoch. Besonders ausgeprägt ist dieser "Heimwehfaktor" bei denjenigen, die noch sehr jung sind, und erst kürzlich die Region verlassen haben. Die Bindungsintensität verliert sich zwar etwas mit den Jahren, es findet so etwas wie eine "Emanzipation" von der Familie und der Herkunftsregion statt. Das selbstgewählte "Exil" wird mit zunehmen-dem Alter mehr zur Heimat, die Herkunftsregion bleibt aber das emotionale Zuhause. Bei denjenigen, die bereits einen Großteil ihres Erwachsenenalters außerhalb der "Heimat" verbracht haben, kommt so etwas wie ein "Heile-Welt-Faktor" zum tragen. Das was man verlassen hat, soll so bleiben wie es ist, bis man, vielleicht, wiederkommt. Dementsprechend sind die Veränderungswünsche bei denen, die in der Region leben, stärker ausgeprägt.

Die LehrerInnen im Lungau konnten als ein Gruppe ausgemacht werde, die sich besonders durch Zufriedenheit mit der sozialen Situation auszeichnet, also eher einen Beharrungs- als Innovationswillen zeigen, was in der "Arbeitsplatzsicherheit" und der Vielfältigkeit der persönlichen Möglichkeiten für gesellschaftliches und kulturelles Engagement begründet liegen kann.

Visionäre und Angepasste - Apokalyptiker und Integrierte?

„Survival of the fittest“ - dieser Satz von Herbert Spencer, irrtümlich oftmals Charles Darwin zugeschrieben, meint nicht das Überleben der "Besten", sondern der "Bestangepassten". Diejenigen, die ihren Lebensmittelpunkt im Lungau sehen, weisen verstärkt pragmatische Tendenzen in ihren Wertungen auf, es scheint eine Anpassung der Wünsche an die Wirklichkeit erfolgt zu sein. „Dableiber“ sind keine Versager. Sie finden sich ebenso häufig in der Reihe jener, die ihr persönliches Berufsziel erreicht haben.

Die "Pragmatischen" sind auch nicht die "Resignierten", sie zeichnen sich vielmehr durch eine hohe Identifikationsrate aus, die aber mit einer ausgeprägten Bereitschaft und ausgesprochenen Forderung nach moderater Veränderung (kein Lungoland!) im Lungau einhergeht. Veränderungen sind für die "Ortsfesten" wichtiger als für die „Mobilen“, da alltägliche Erfordernisse der Lebensraumgestaltung und -sicherung, der Attraktivität einer Kultur- und Konsumlandschaft im Mittelpunkt der Interessen stehen. Diese Erfordernisse können hinsichtlich der Wünsche derer, die sich eine "konservierte" Schauwelt Lungau erträumen, ein Spannungsfeld ergeben. Da die Wanderungsströme derjenigen, die den Lungau (wahrscheinlich für immer) verlassen haben vor allem in Richtung Großstadt gehen, ergibt sich bei diesen eine höhere Wertschätzung des Lungaus als Naturraum. Die Wünsche der "Ortsfesten" sind aber bei Regionalkonzeptentwicklungen höher zu gewichten, Ebenso wichtig sind die Anliegen der "Vielleicht-Rückkehrer".

Je mehr Zeit außerhalb vom Lungau verbracht worden ist, desto unwahrscheinlicher wird die Rückkehr. Es handelt sich dabei vor allem um die formal Höhergebildeten, Unangepasstheit bzw. Versagertum konnten jedoch nicht als vorrangige Gründe für Wanderungswünsche identifiziert werden. Dableiber müssen mehr soziale Nähe dulden (ertragen können), mehr soziale Beziehungen eingehen, die nicht auf Affinität und Symathie beruhen, sondern situationsspezifisch sind.

Ausblick auf das zweite Projektjahr

Das zweite Projektjahr hat eine qualitative Vertiefung der bisherigen Ergebnisse zum Ziel. Die bereits angedeuteten "Idealtypen" sollen mittels geeigneter höherer statistischer Verfahren (z.B. Clusterananlysen) ermittelt und beschrieben werden. Die Kategorie derer, die "vielleicht" zurückkommen werden, ist zu spezifizieren, Gründe sind zu eruieren. Auch die These der "größeren Genügsamkeit" als Bleibefaktor, bislang eine Unterstellung, soll durch weitere Analysen und qualitative Interviews überprüft werden.

Das Spannungsfeld zwischen "Wunsch & Wirklichkeit", von Ortsfesten und Mobilen soll näher beleuchtet werden. Kann das (kreative und innovative) Potential zur Entwicklungskapazität werden - und wenn ja, wie? Welche personellen Kapazitäten (Ressorcen) nutzt die Region - welche lässt sie brach liegen?

Ein Problem für die Umformung des sozialen Gefüges in den Regionen kann die Tatsache darstellen, dass homogene soziale Gefüge keine wirklichen Eliten dulden. Lediglich die neuen Bildungseliten als "paraelitäre Bevölkerungssegmente" finden einen Platz im Gesellschaftsgefüge. Es wird die Frage gestellt, ob das Konzept der "Lokalen Eliten" durch ein Konzept der "paraelitäten Segmente im pseudo-egalitären Gemeinwesen" ersetzt werden kann. Klassische soziale Differenzierungen und Dichotomien "Arbeiter/Bauern"; "Adel/Bürgertum"; bilden keine schlüssigen Kategorien in der Bewertung der sozialen Wirklichkeit mehr. Konturen weichen sich auf: Der Adel ist abgeschafft, es gibt keine wirkliche bürgerliche Elite, Bauern sind zugleich unselbständig Erwerbstätige. Schichtzugehörigkeit wird über Bildung und Einkommen, weniger über Herkunft generiert.

Enge soziale Bindungen, wie sie in kleinräumlich strukturierten Gemeinwesen, geprägt durch ein enges Interaktionsnetz in Großfamilie, Verwandt- und Nachbarschaften und anderen, engmaschigen soziokulturellen Netzwerken entstehen, stellen einen prägenden Sozialisationsfaktor dar. Kinder in urbanen Räumen werden meist in und durch Klein- (und Kleinst-)familien sozialisiert (zwei Generationen; [Vater]-Mutter-1Kind). Das übrige Beziehungsnetz der Heranwachsenden generiert sich durch "professionelle" und selbstgewählte Kontakte und ist weitgehend individuell gestaltbar (Freunde, Bekannte, Kindergarten- und Schulumgebung), Veränderungen sind im Bereich des Möglichen. Kinder, die in der "sozialen Verdichtungszone" Dorf aufwachsen, erfahren ihre Lebenswelt stärker determiniert: Es spielen vielmehr Menschen darin eine Rolle, die man sich nicht selber ausgesucht hat. Sozialisation passiert, indem man in die dörfliche Gemeinschaft hinein wächst, einen Platz dort findet - oder auch nicht. Damit das innovative, kreative Potential die vakanten Plätze ausfüllen kann, ist neben Wanderungs- auch Wandlungsvermögen notwendig.

(C) 2001 by Fuchshofer/Eckstein - detailierte Ergebnisse sind als pdf-file einsehbar. (Ergebnisse.pdf)

 

 

 

 
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